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Die Edition Schrittmacher wird herausgegeben von: Michael Dillinger, Sigfrid Gauch, Arne Houben, Gabriele Korn-Steinmetz.


Wir waren Kinder und es war Krieg
Edition Schrittmacher Band 32
Wir waren Kinder und es war Krieg
Erzählungen von Gerd Forster
138 Seiten, 12,4 x 19,2 cm, Broschur
ISBN: 978-3-89801-232-4
Preis: 9,90 EUR



Der Autor
Gerd Forster, geboren in Ludwigshafen, lebt in Eulenbis, Landkreis Kaiserslautern, und zeitweise in Berlin. Studium der Musik und der Germanistik in Heidelberg, Gymnasiallehrer bis 1999. Mitbegründer der Autorengruppe Kaiserslautern.

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Inhalt
Die meisten dieser Erzählungen beruhen auf Erlebnissen und Wahrnehmungen des Autors während der letzten Phase des 2. Weltkriegs, wobei er als Junge von 9 - 10 Jahren die reignisse eher spannend als gefährlich empfunden hat. Besonders deutlich wird das in »Kriegskind« und in »Der Doktor«. Der Text »Erzfeindliebe« handelt von einer Frau aus der Normandie, die erst auf dem Totenbett der Mutter von ihr erfährt, ass sie die Tochter eines deutschen  Besatzungssoldaten ist. Den Anstoß zu dieser weitgehend fiktiven Erzählung gab der Bericht einer französischen Freundin des Autors. In »Hannah« geht es um ein jüdisches Mädchen in Berlin, das nach der Verhaftung seiner Eltern von einem Bekannten der Familie bis zum Kriegsende versteckt wird. Diese besondere Situation führt im Laufe der Zeit zu einer immer intensiveren, allerdings auch problematischen Beziehung.


Leseprobe
Kriegskind
Der kleine, schon schlottrige Lastwagen ist mit Standlicht in der klaren Januarnacht unterwegs. Gerhard und seine Mutter sitzen ziemlich beengt neben dem Fahrer. Auf der Ladefläche die wenigen Sachen, die noch aus dem brennenden Haus zu retten waren. Einen Teil der Wohnzimmereinrichtung hatten sie, als die regelmäßigen Bombardierungen Ludwigshafens begannen, vorsorglich zu Verwandten in die Nordpfalz transportieren lassen, wo Mutters jüngste Schwester Elsbeth mit Sohn Reiner lebt und unterstützt von einem Knecht und wechselnden Gefangenen die Landwirtschaft betreibt, seit ihr Mann an der Ostfront ist. Der kam früher ab und zu in Urlaub, zuletzt nicht mehr. Vor der Frontscheibe ein von Scheinwerfern abgetasteter Himmel. »Worms«, sagt der Mann, »ich fahre besser über Grünstadt.« Der Wagen durchquert später das abgedunkelte Monsheim, folgt dem Lauf der Pfrimm und biegt schließlich in Albisheim nach Norden ab. Von jetzt an muss die Mutter dem Fahrer den Weg zeigen. Auf der Höhe hinter dem Dorf Stetten am Steinernen Kreuz geht’s steil nach oben an dem Gerhard vertrauten Wasserwerk vorbei. Der Boden der unbefestigten Straße ist hart gefroren und schüttelt das Auto durch. Als die Mutter das Ortsschild ihres Heimatdorfes erkennt, beginnt sie zu weinen. In der Hauptstraße zeigt sie dem Fahrer ihr Elternhaus. Gerhard springt aus dem Wagen und zieht mehrmals am Eisengriff der Glocke, während die andern ebenfalls aussteigen. Nach wenigen Minuten beugt sich Tante Elsbeth aus einem der Fenster im oberen Stock. »Ach, du liewer Gott«, stößt sie hervor, »was issen bassiert?« »Wir sind ausgebombt worden!«, ruft ihre Schwester hinauf, und auf die Ladefläche des Wagens zeigend: »Das ist alles, was wir noch haben. Gustav ist in Oggersheim geblieben.« Und die Tante: »Kummen rinn! Ich hun en Bu kriet! Aacheblick, ich mach eich uff!« Im roten Morgenrock über ihrem Nachthemd kommt sie herunter, schließt auf, umarmt ihre Schwester, streicht Ger8 hard über den Kopf und öffnet das große Tor, damit der Mann die Sachen abladen und in den Hof tragen kann. Danach will er sich gleich wieder auf den Rückweg machen. Die Tante holt ihm noch schnell einen Ring Leberwurst. Gerhard und seine Mutter gehen schon in die Wohnung, um sich am Küchenherd aufzuwärmen, denn beide sind ohne Mantel. Die Mutter hatte ihren nicht mehr aus dem brennenden Haus holen können, und Gerhard trägt nur die Jacke, worin er auf dem Klassenausflug unterwegs gewesen war. Das Baby liegt in der Wiege neben dem Bett seiner Mutter und schläft. Es ist am Neujahrstag zur Welt gekommen. Gerhard soll sich im Nachbarzimmer neben seinen Cousin Reiner ins Doppelbett legen, sagt die Tante, wenn’s ihm zu kalt sei, bringe sie ihm einen warmen Backstein aus dem Küchenherd.